Philip Bowman nahm am Krieg im Pazifik teil, er war verwickelt in große Schlachten, die tausende Menschen in den Tod stürzten und den Lauf der Geschichte änderten. Sein Leben stand auf dem Spiel, viele Kameraden starben oder verschwanden von der Bildfläche, er aber überlebte und kehrte wohlbehalten an die Ostküste der Vereinigten Staaten zurück, um sein Leben zu leben. Ein Dasein in einer Wohlstandsgesellschaft, fern von allen essentiellen Bedrohungen, wie der Krieg sie darstellte, sondern voller Genüsse und Visionen.
Bowman, nach dem Krieg immer noch ein junger Mann mit allen Möglichkeiten, studierte und suchte sich dann eine Stelle als Lektor bei einem anspruchsvollen Verlag in New York. Bücher von hoher literarischer Qualität werden verlegt. Eine gut aussehende, junge Frau lernte er kennen, sie kam aus gutem Hause, eigentlich zu gut für ihn, und kurz darauf heirateten die beiden, auch wenn der reiche Vater der jungen Frau aus gutem Hause nicht viel übrig hat für den künftigen Schwiegersohn. Alles lief bestens, bis die Liebe nachließ und beide sich von einander entfernten. Die Scheidung folgte schnell und umstandslos. Die ganze Angelegenheit war ein Fehler gewesen, auf den man lieber nicht zurückschaute, stattdessen mit seinem eigenen Leben fortfährt, den Blick nach vorne richtet.
Philip Bowman und die Menschen um ihn herum legen der Liebe und den Beziehungen großen Wert bei, jedoch nichts Endgültiges. Es ist eine Zeit der gesellschaftlichen Veränderungen, auch wenn dies im Roman wenig Beachtung findet, viele Dinge ändern sich und auch Ideen über das richtige Leben und die Bedeutung von Ehe und Monogamie ändern sich. Deshalb war die Scheidung von Vivian, der jungen Frau aus gutem Hause, auch nicht dramatisch, sondern vielmehr ein notwendiger Schritt für beide, um den eigenen Weg weitergehen zu können. Die Ehe auf Zeit ist kein Scheitern, sondern die Frucht der Ungebundenheit und der Suche nach Erfüllung.
James Salter ist ein versierter Erzähler, der ohne Umschweife auskommt und über viele Seiten eine einfache, aber interessante Geschichte zu erzählen weiß. Mit Alles, was ist hat er einen Roman vorgelegt, der ohne Unterbrechungen ein ganzes Leben erzählt und die Wünsche seines Protagonisten so natürlich und selbstverständlich erscheinen lässt, dass man sie kaum wahrnimmt. Bowman sucht ständig nach dem Glück und vermag es auch wieder und wieder zu finden, mit anderen Frauen, die immer ihren Charme haben und ihn einzunehmen wissen.
Doch all das Tun von Bowman, das Suchen und Finden, ist umsonst, es kann seinem Leben keine Bedeutung geben, er eilt nur von einer erotischen Beziehung in die nächste, heiratet, kauft ein Haus, wirft wieder alles um. Die Ziellosigkeit in der Biographie ist kaum zu übersehen, der Protagonist strebt nach Genuss, ist sonst jedoch verloren. Der Krieg, mit dem das Buch beginnt und dessen Erinnerung am Ende auch wieder auftaucht, bildet dazu den Kontrast. Befehle ausführen und das eigene Leben schützen, solch simple Ziele wiegen schwerer als jedes gute Essen in einem teuren New Yorker Restaurant, als die Schönheit einer Frau, als das Verlegen und Unterstützen eines guten Buches. Bowman hatte als junger Mann die bedeutungsschwerste Zeit seines Lebens und war danach in der alltäglichen Welt angekommen, mit ihren Feinheiten, Moden und tausend Arten, sich die Zeit zu vertreiben. Er lebt gut und abwechslungsreich, eigentlich ist er ein beneidenswerter Mann, doch seine Haltlosigkeit – die ihm nicht bewusst wird – verhindert das wahre Glück, falls es derartiges gibt.
Doch Bowman ist nicht nur das Produkt seiner eigenen Biographie, sondern auch seiner Zeit, seine Mitmenschen, besonders die Frauen um ihn herum, verhalten sich ähnlich wie er, sind ungebunden, immer auf der Suche nach persönlichen Erfolgen und Genusserlebnissen. So muss der Protagonist mehrfach leiden, da sich Frauen von ihm abwenden, ihn betrügen oder ihn ausbeuten wollen.
© Sebastian Riemann
Alles, was ist - verfasst von James Salter